… des Vorsitzenden der Fraktion FREIE WÄHLER, Henning Rehse am 23. Mai 2022 im Rat der Stadt
Sehr geehrte Frau Bürgermeisterin, liebe Frau Lück
lieber Mitbürgerinnen und Mitbürger, Kolleginnen und -kollegen,
freudig war seit Jahren der Tag erwartet worden, wo die Stadt Wermelskirchen das Haushaltssicherungskonzept (HSK) verlassen würde. Einige gingen davon aus, dann würde alles besser, aber weit gefehlt: das Verlassen des HSK ist nur ein technischer auf Zahlen basierter Akt. Es geht allein darum, ob man sich diesseits oder jenseits einer Zahlengrenze befindet, allein wo diese Grenze schon absolut liegt, ist der eigentliche Maßstab dafür, wie die finanzielle Lage eigentlich ist. Und die ist nach wie vor schlecht!
Schlecht wie bei den meisten der Städte und Gemeinden in NRW. Und nicht deshalb schlecht, weil Bürgermeister, Verwaltungen und Räte eine schlechte Arbeit gemacht und mit dem Geld geaast hätten, sondern weil das den Kommunen von Bund und Land zur Verfügung gestellte Geld einfach nicht ausreicht, um die übertragenen Aufgaben zu erfüllen.
Da wird dann halt gespart, dass die Schwarte kracht – und das schon seit Jahrzehnten.
Bei der Stadt Wermelskirchen hat sich dadurch allein für die Instandhaltung der städtischen Gebäude ein Investitionsstau von 230 Mio.€ aufgetürmt. Zum Beispiel ist das Rathaus nach über 40 Jahren schlichtweg Schrott und dieser schrottige Arbeitsplatz ist – am Rande bemerkt – nur ein weiterer Grund dafür, dass die Verwaltung kein Fachpersonal mehr findet.
Die Schulden der Stadt werden bis 2026 auf über 220 Mio.€ ansteigen.
Für 2023 sind Erhöhungen der Grund- und Gewerbesteuer beschlossen. Trotz dieser Erhöhung weist der Doppelhaushalt 2022/2023 im Jahr 2023 einen Überschuss von „nur“ 228.000 € aus, ist also auf Kante genäht. Nur eine nicht vorherzusehende Krise und das HSK ist wieder da.
Der städtische Haushalt hat für 2022 ein Volumen von ca. 115 Mio. Euro. Nur ca. 1 Mio. Euro davon sind freiwillige Leistungen. Wir setzen also nur 1 Mio. Euro der von unseren Bürgern in Höhe von über 58 Mio. Euro gezahlten Steuern für Dinge ein, die der Rat eigenverantwortlich beschlossen hat.
Der gesamte Rest aller Einnahmen wird in die Erfüllung von Pflichtaufgaben gesteckt, die Europa, Bund und Land den Kommunen übertragen haben, ohne jedoch die komplette Finanzierung zu übernehmen. Damit wird den Räten in den Kommunen die Möglichkeit genommen, selbst gestalterisch tätig zu werden und Schwerpunkte zu setzen.
Die FREIEN WÄHLER sind mit dieser Schieflage nicht einverstanden und wollten daher den Antrag stellen, die freiwilligen Leistungen um weniger als 0,1% des gesamten Haushaltsvolumens zu erhöhen und dieses Geld den ehrenamtlich Tätigen für ihre Projekte zur Verfügung zu stellen.
In Anbetracht des zuvor Gesagten keine Chance, und dies obwohl sich eine Vielzahl von Menschen in Vereinen und Organisationen und Organisationen ehrenamtlich engagiert und mit ihrem Einsatz das Zusammenleben bereichert und zudem oft die Daseinsvorsorge sichert. Sie machen manches möglich, was sonst unter ökonomischen Gesichtspunkten nicht realisierbar wäre. Gerade jetzt in Zeiten des Krieges in der Ukraine wird wieder sichtbar, was das bürgerliche Engagement bewirken kann. Aber nicht nur in der Flüchtlingshilfe, sondern in vielen anderen Bereichen des Sports, Kultur und Gemeinwesenarbeit ist das bürgerliche Engagement und Ehrenamt unverzichtbar.
Insofern gibt es eigentlich keine Punkte, die dafürsprechen, dem Haushalt zuzustimmen, was aber keine Kritik an der Bürgermeisterin und dem Kämmerer sein soll.
Es macht keinen Spaß mehr, in diesem finanziellen Umfeld zu agieren bzw. besser gesagt nur noch zu reagieren. Man muss sich langsam die Frage stellen, ob man durch sein Mittun noch Teil dieses „Systems“ sein und es stützen will und damit auch mittelbar und letztendlich Verantwortung für die ganzen Fehlentwicklungen zu übernehmen
Steuererhöhungen, der Rückzug des Antrags der Kollegen des BürgerForums betreffs des Eventsommers, andererseits aber Stellen für Klima- und Mobilitätsmanager im Stellenplan – das alles wären schon jeder für sich betrachtet für meine Fraktion Punkte den Haushalt abzulehnen.
Es muss aber weitergehen und dieser Verantwortung stellen wir uns: deshalb werden wir dem Haushalt zustimmen – nicht aus Lust, sondern aus Verantwortung für die Stadt und ihre Bürger!
Würde ein Haushalt nicht verabschiedet, hätte das gravierende negative Folgen für die Stadt und unsere Bürger:
§ 82 Gemeindeordnung Nordrhein-Westfalen (GO NRW)
Vorläufige Haushaltsführung
(1) Ist die Haushaltssatzung bei Beginn des Haushaltsjahres noch nicht bekannt gemacht, so darf die Gemeinde ausschließlich
- Aufwendungen entstehen lassen und Auszahlungen leisten, zu denen sie rechtlich verpflichtet ist oder die für die Weiterführung notwendiger Aufgaben unaufschiebbar sind; sie darf insbesondere Bauten, Beschaffungen und sonstige Investitionsleistungen, für die im Haushaltsplan des Vorjahres Finanzpositionen oder Verpflichtungsermächtigungen vorgesehen waren, fortsetzen,
- Realsteuern nach den Sätzen des Vorjahres erheben,
- Kredite umschulden.
(2) Reichen die Finanzmittel für die Fortsetzung der Bauten, der Beschaffungen und der sonstigen Leistungen des Finanzplanes nach Absatz 1 Nr. 1 nicht aus, so darf die Gemeinde mit Genehmigung der Aufsichtsbehörde Kredite für Investitionen bis zu einem Viertel des Gesamtbetrages der in der Haushaltssatzung des Vorjahres festgesetzten Kredite aufnehmen. Die Gemeinde hat dem Antrag auf Genehmigung eine nach Dringlichkeit geordnete Aufstellung der vorgesehenen unaufschiebbaren Investitionen beizufügen. Die Genehmigung soll unter dem Gesichtspunkt einer geordneten Haushaltswirtschaft erteilt oder versagt werden; sie kann unter Bedingungen und mit Auflagen erteilt werden. 4Sie ist in der Regel zu versagen, wenn die Kreditverpflichtungen mit der dauernden Leistungsfähigkeit der Gemeinde nicht in Einklang stehen.
(3) Ist im Fall des § 76 Abs. 1 GO NRW die Haushaltssatzung bei Beginn des Haushaltsjahres noch nicht bekannt gemacht, gelten ergänzend zu den Regelungen der Absätze 1 und 2 die nachfolgenden Bestimmungen vom Beginn des Haushaltsjahres – bei späterer Beschlussfassung über die Haushaltssatzung vom Zeitpunkt der Beschlussfassung – bis zur Genehmigung des Haushaltssicherungskonzeptes:
1.Die Gemeinde hat weitergehende haushaltswirtschaftliche Beschränkungen für die Besetzung von Stellen, andere personalwirtschaftliche Maßnahmen und das höchstzulässige Aufwandsvolumen des Ergebnishaushalts sowie die Regelungen zur Nachweisführung gegenüber der Aufsichtsbehörde zu beachten, die durch Rechtsverordnung des für Kommunales zuständigen Ministeriums im Einvernehmen mit dem für Finanzen zuständigen Ministerium festgelegt werden.
2. Der in Absatz 2 festgelegte Kreditrahmen kann mit Genehmigung der Aufsichtsbehörde überschritten werden, wenn das Verbot der Kreditaufnahme anderenfalls zu einem nicht auflösbaren Konflikt zwischen verschiedenen gleichrangigen Rechtspflichten der Gemeinde führen würde. Die Genehmigung kann unter Bedingungen und mit Auflagen erteilt werden.
(4) Die Bestimmungen des Absatzes 3 gelten ab dem 1. April des Haushaltsjahres bis zur Beschlussfassung über einen ausgeglichenen Haushalt oder bis zur Erteilung der Genehmigung für ein Haushaltssicherungskonzept auch dann, wenn bis zu dem Termin kein ausgeglichener Haushalt beschlossen worden ist.
Würde der Rat der Stadt den Haushalt also jetzt nicht beschließen, würde dies z.B. folgendes bedeuten:
- Wiederbesetzungssperren von Stellen (bis zu 24 Monate)
- kein Bau der Gesamtschule oder des Hallenbades – nur mit Genehmigung der Kommunalaufsicht unter Einschränkung der Kreditaufnahme
- keine weiteren neuen, freiwilligen Maßnahmen (investiv/konsumtiv)
Jedes Vorgehen in dieser Zeit wäre genehmigungspflichtig durch die Kommunalaufsicht.
Allein die Wiederbesetzungssperren würden die Verwaltung so treffen, dass sie kaum mehr handlungsfähig wäre.
Daher stimmt die Fraktion FREIE WÄHLER dem Haushalt und Stellenplan zu.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
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